Seite wählen

Zwei große Lernevents der Corporate Learning Community, das Corporate Learning Camp (CLC17) und der Corporate Learning 2025 MOOCathoon (CL2025) sind gerade vorbei. Neben der lesbaren, spürbaren und hörbaren Begeisterung der “Teilgebenden” fällt auf, dass beide Events viele Herausforderungen bereitstellten, die man durch Annehmen für die eigene Kompetenzentwicklung nutzen konnte. Vielleicht ist das ja der entscheidende Unterschied zu von Trainern angeleiteten Lernevents.

CL2025 und CLC17

Kurz zur Erläuterung: Der CL2025 war ein cMOOC (Massive Open Online Course) nach dem Modell des Konnektivismus (c= Connectivism). Hier gibt es keine Lehrenden, nur einen Veranstalter, der den Rahmen für einen Austausch unter Interessierten zu einem Thema schafft. „Das Wissen ist im Netzwerk, und Lernen ist die Fähigkeit, Verbindungen zu den Wissens-Knoten zu schaffen“ ist das gedankliche Grundprinzip des Konnektivismus. Also kommt es auf die Interessierten an, die hier ihr Wissen und ihre Quellen einbringen, und in den Austausch mit anderen treten. „Teilgebende“ ist der dafür zutreffende Begriff. Das CLC17 ist ein typisches BarCamp, dass nach einem ähnlichen Prinzip läuft. Die Agenda wird morgens gemeinsam im Plenum erstellt – ausschließlich mit den Vorschlägen aus dem Plenum. Und in den 45-Minuten-Sessions wird das von den Teilgebenden eingebrachte Wissen genutzt.

Selbststeuerung als Prinzip

Jeder Teilgebende dieser Events hat jederzeit die volle Handlungsfreiheit. Teilgebende entscheiden selber, ob sie eine Session anbieten, ob sie in eine – und in welche Session – gehen, ob sie nur zuhören wollen, oder ob sie sich aktiv an der Diskussion beteiligen. Selbst während einer Session darf man entscheiden, die Session zu verlassen. Teilgebende gestalten damit ihren Tagesablauf selbst – und sie steuern ihr Engagement selber. Und das wirkt auch wieder auf die Anderen: Wenn viele Sessions angeboten werden gibt es viele Wahlmöglichkeiten und wenn viel diskutiert wird, erlebt man viele unterschiedliche Perspektiven. Spätestens hier wird klar, wie komplex Lernevents solcher Art sind. Selbststeuerung der Teilgebenden scheint mir auch die einzige Möglichkeit, solch komplexe Situationen überhaupt „beherrschbar“ zu machen.

Wie entwickeln Teilgebende dabei Kompetenz?

Beide Veranstaltungen sind „inhaltslos“, bevor sie starten. Sie müssen durch Teilgebende gestaltet werden. Das ist schon die erste Herausforderung, die Einzelne annehmen können oder auch nicht. Das Annehmen von Herausforderungen ist immer der erste Schritt zum Lernen. Und wenn die Herausforderung gleich ein Handeln in der Echt-Situation fordert, dann ist das die Chance zur Entwicklung eigener Kompetenz, die ja nur durch Handeln entwickelt werden kann. Die Vielfalt der Herausforderungen für Teilgebende, hier nur kurz angerissen:

  • Biete ich eine Session an?
  • Kommentiere ich Beiträge von anderen?
  • Gebe ich eigene Erfahrungen oder Meinungen wieder?
  • Bereite ich eigene Beispiele für andere auf (Video, Podcast, Powerpoint, …)?
  • Bringe ich relevante Quellen ein (Links, Bücher, Dokumente, …)?
  • Gehe ich auf Kritik ein?
  • Entwickle ich Gedanken von anderen weiter?
  • Überzeuge ich andere zum Mit-Netzwerken?
  • Berichte ich in sozialen Medien (Twitter, Facebook, …)?
  • Schreibe ich einen Blogpost zum Thema?
  • Rege ich eine Lerngruppe (Community) an, oder beteilige ich mich aktiv?
  • Fasse ich Diskussionen oder Posts für alle anderen zusammen?
  • Unterstütze ich bei den technischen Rahmenbedingungen (Plattform, Foren, Live-Übertragungen, …)?
  • Interviewe ich einen interessant Beitragenden (Video, Podcast, …)?
  • Organisiere ich eine Gesprächsrunde zum Thema mit Aufzeichnung?

Veranstalter solcher Lern-Events können neben den notwendigen Rahmenbedingungen Anzahl und Art der möglichen Herausforderungen für die Teilgebenden in den Blick nehmen. Auf meine Frage in BarCamps: „Wärst Du bereit, den Sessiongeber zu seiner Session kurz vor der Video-Kamera zu interviewen?“ bekomme ich praktisch nie eine Absage, obwohl das für die meisten völlig ungewohnt ist. Sie nehmen diese Herausforderung spontan an. Mit solch vielfältigen – und frei wählbaren – Herausforderungen wird aus meiner Sicht mehr Kompetenz entwickelt, als in vielen klassischen Seminaren.

Dazu ist immer auch die Freiheit nötig, so etwas ohne Nachfragen einfach mal in die Hand zu nehmen, also einfach zu machen. Diesen großen Freiraum geben nur selbstorganisierte Lern-Veranstaltungen. Man stelle sich nur vor, ein Seminar-Teilnehmer sucht im Seminar Gesprächsteilnehmer für eine nicht geplante Podiumsdiskussion. Angeleitete Lernevents sehen solche Eigeninitiativen kaum vor. Wenn man diese Freiheit zulässt, selber aktiv zu werden, selbstorganisiert zu handeln, dann wird das auch von fast allen genutzt, wie nicht nur die beiden o.g. Lern-Events beweisen. Und zudem entsteht echte Begeisterung. Gute Voraussetzungen für intrinsisch motiviertes Lernen!

Dieser Beitrag wurde zuerst veröffentlicht auf https://colearn.de/.

Corporate Learning Camp 2017 in der Fachhochschule Frankfurt (Universty of Apllied Sciences) in Frankfurt am Main am 28.09.2017. Foto Frank Rumpenhorst