von Volkmar Langer | Jun 29, 2011 | E-Learning |
Das Thema der 9. Woche im Opco11 Microblogging und Microlearning ist ein weiterer sehr zukunftsorientierter Blick auf den Wandel in der Kommunikation und damit auch beim Lernen.
Der Blogeintrag von Gaby Goldberg und insbesondere das darin gepostete Bild (übrigens das Ding wird auch als „Newtons Wiege“ bezeichnet) inspiriert mich zum Thema Microlearning kurz eine etwas andere Perspektive zu reflektieren. Für mich als Physiker ist das Bild mit einem wichtigen Begriff aus der Physik verbunden, nämlich der Impulserhaltungssatz.
Bildquelle. Stellt sich also die Frage: Wie könnte dieses Bild für die Umsetzung von Lehr-/Lernszenarien interpretiert werden? Zur Vereinfachung betrachten wir mal eine eins zu eins Lehr-/Lernsituation, in der der Lehrer dem Lerner einen Impuls gibt (Mikrocontent ggf. mit Frage-/Aufgabenstellung) und Lerner diesen Impuls (es gilt die Impulserhaltung) aufnimmt und anschließend wieder an den Lehrer zurückgibt (idealer Fall: elastischer Stoß).
Diese Wechselwirkung weitergedacht landen wir u.U. beim klassischen Lehr/Lerngespräch, das sowohl in formellen als auch informellen Szenarien stattfinden kann. D.h. aus meiner Sicht muß Microlearning nicht notwendigerweise informell sein. Das Schöne ist, im Idealfall lernen Beide dabei und oftmals ist eine exakte inhaltliche Entwicklung des Szenarios nicht vorhersagbar.
Soweit so gut. Und was ist jetzt das Besondere an Microlearning? Hier kommen jetzt wieder die neuen Möglichkeiten (social media usw.) zum Einsatz. Der Impuls kann asynchron ausgelöst werden und erreicht eine Vielzahl von Beteiligten, die auch wiederum asychron, nach ihrem aktuellen Kenntnisstand beitragen können. Also ein Potenzial, dass Gaby Goldberg als Impuls zur Auslösung einer Kettenreaktion beschreibt, bei der eher das Bild mit den Dominosteinen (Dominoeffekt) zutrifft. Oder gilt hier doch noch die Impulserhaltung?
Eigene Erfahrung: Abgesehen von dem allgegenwärtigen Twitter, das gerade aktuell beim vernetzen Lernen in offenen Lehr-/Lernszenarien äußerst wertvoll ist, haben wir zur internen Kommunikation (Verwaltung und Professoren) an unserer Hochschule ein Mikrobloggingtool im Einsatz: Yammer. Wir haben dafür keine Schulung benötigt bzw angesetzt. Die allgemeine Akzeptanz bei den Benutzern ist schon nach sehr kurzer Zeit enorm hoch. Noch gibt es bei uns keine verbindliche Policy, alles über Yammer abzuwickeln. Ein parallel betriebener interner Blog, als angedachte Alternative, findet nicht annähernd eine vergleichbare Akzeptanz, obwohl hier eine ausführliche Anleitung zur Verfügung steht.
Nicht nur in der Unternehmenskommunikation, sondern auch in unterschiedlichen Lehr-/Lernszenarien (vgl. z.B. Jane Hart) sind noch reichlich Potenziale für den Einsatz von Microlearning und –bloggingtools, die mit zunehmend verbesserter Usability auch eine zunehmend höhere Akzeptanz im Alltag finden werden. Die Frage ob Mikro oder Makro ist nicht so entscheidend, denn viele Mikrobeiträge führen schließlich wieder zu einem Makroergebnis ;-).
von Volkmar Langer | Jun 23, 2011 | E-Learning |
Öfter mal was Neues: diese Woche im Opco11 ein bekanntes Thema in einem mehr oder weniger bekannten Format. Was war neu? Die Story, in die das Thema eingebunden war, nämlich ein „ITG-Festival“ oder, ausgeschrieben: „Festival der Informationstechnischen Grundbildung“. Der Festival-Organisator, Christian Spannagel, bekennender „Wave-Gotik-Treffen“-Fan, hat seine Aufgabenstruktur in eine Festival-Struktur mit fünf Konzerten (Dank Lore Reß, wurden es sogar sechs) übertragen und als „Konzertsaal“ jeweils ein Etherpad vorstrukturiert. In einer zugehörigen Audioboo-Ankündigung erläuterte C. Spannagel die Fragestellungen – wo war hier eigentlich die passende Hintergrundmusik?
Asynchron/Synchron: Die Mitarbeit der #opco11 Teilnehmer im Vorfeld war für mich überraschend gut (von wegen 90-9-1), so dass das Wagnis, innerhalb einer halben Stunde Synchronarbeit via Etherpad/EtherpadChat zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen, halbwegs aufgegangen ist. Natürlich bei sechs parallelen Gruppen, gingen die Meinungen über die Qualität dieser Form von Kollaboration stark auseinander. Ein vom Initiator angedachter Wechsel der Konzerte war praktisch in der kurzen Zeit nicht möglich – die Räume waren teilweise voll ausgebucht (free Etherpad=max. 16 User).
Wie im richtigen Leben: Ja, es war ein wenig chaotisch und kaum zu glauben, das Wetter (besser Unwetter) war allgegenwärtig auch im virtuellen Konzert. Beide Moderatoren wetterbedingt verhindert. Adobe Connect Server oder das Netzwerk zu Beginn wenig performant (vielleicht auch Unwetterbedingt?), aber deshalb von einem Reinfall zu berichten, ist wohl eher eine Ausnahme. Nein, ich meine es war ein sehr anspruchsvolles Konzept, dass eine gute Vorbereitung auf beiden Seiten, also auch bei den Teilnehmern erforderte.
Qualitätssicherung: Dass ist das Schöne an einem offenen Kurs, jeder (!) kann sich einbringen und damit die Qualität beeinflussen und damit auch sichern. Insofern kann man zwar über die Eigendynamik der Technik schimpfen, aber was die Inhalte angeht, fasse sich jeder an die eigene Nase, oder?
Überraschung – Chatnutzung im Vergleich zu Audio/Videobeiträgen überwiegt: Obwohl ich Zehnfingertechnik zum Schreiben sehr gut beherrsche, bin ich nicht der hochmotivierte Turbotipper, sondern nutze viel lieber Audio/Videokanäle, wenn vorhanden. Für mich überraschend: in der anschließenden offenen Online-Reflexion via Adobe Connect meldete sich kaum ein Teilnehmer per Wortmeldung, aber im Chat wurde wieder turbogetippt, mit wertvollen Beiträgen! Fehlt hier die technische Ausstattung oder einfach der Mut?
Fazit: Gelernt wurde das meiste asynchron, das synchrone „ITG-Festival“ war ein gelungenes Experiment, etwas knapp in der Zeit bemessen, aber für die Klärung/Diskussion offener Fragen zu den im Vorfeld eingestellten Beiträgen ausreichend. Vielen Dank für die Organisation, das etwas andere Format und vor allem die gute Vorstrukturierung/Vorbereitung an Prof. Dr. Christian Spannagel, den großen Konzertmeister!
von Volkmar Langer | Jun 9, 2011 | E-Learning |
Das Thema der 6. Woche habe ich aufgrund der anregenden Diskussion im Anschluss an die gestrige Online-Sesssion mit Rolf Schulmeister um den Nachsatz ergänzt: „Nicht jammern, sondern weiter denken.“ Auslöser für die folgenden Ausführungen (Dialogform) ist ein ausführlicher Beitrag von einem sehr aktiven Teilnehmer Peter Ringeisen, besser bekannt unter dem Namen „Tulgey Wood“, dem ich herzlich dafür danke.
Tulgey Wood: @VolkmarLa Der „Widerspruch“, um den es hier geht (#schulmeister im #opco11 Livestream) resultiert (bei mir und einigen anderen Mitdiskutanten) aus der Enttäuschung über die Reaktion des Referenten.
VolkmarLa: Ja, aus meiner Sicht fehlte eben auch der Blick nach vorne – was ist zu tun, um festgestellten Defizite anzugehen.
Tulgey Wood: Das OpenCourse-Thema lautet „Zukunft des Lernens“. Schulmeisters Resümee (nach ca. 63 Minuten): „Unser System ist doch bankrott“ (das bezieht sich in diesem Kontext zwar speziell auf das Lernverhalten von Studenten vor Prüfungen, ist aber nach meinem Eindruck durchaus auf seine Meinung über weitere Bereiche der Bildungslandschaft übertragbar).
VolkmarLa: Als Hochschullehrer und Befürworter der Bolognaentwicklung sehe ich hier mehr die Enttäuschung eines Bologna-Skeptikers, der, was das Prüfungssystem angeht auch aus meiner Sicht Recht hat und damit ein Systemproblem verurteilt. Obwohl der Ansatz ursprünglich sinnvoll gemeint war (studienbegleitende Prüfungen führen zu mehr Mobilität), so führt dieses Prüfungssystem in der Praxis häufig zu dem erwähnten Bulimielernen (kurz vor der Prüfung alles rein, um es anschließend abhaken zu können). Hier sollten wir Hochschullehrer uns engagierter gegen wehren, damit das System nicht wirklich eines Tages bankrott ist, denn Kompetenzen, Qualifikation und Bildung braucht Nachhaltigkeit.
Tulgey Wood: Ich kann keine Vision erkennen, die mit der „Zukunft des Lernens“ zu tun hätte. – Ich schätze die Erfahrung und die Reputation von Prof. Schulmeister durchaus hoch. Umso betrüblicher erscheint es mir, dass er beinahe ausschließlich darauf abzielt, die Nichtexistenz einer „Net Generation“ zu beweisen. – Geschenkt, Herr Schulmeister! Dass die heutigen Jugendlichen sich nicht wie die Fische im Wasser im Internet bewegen und genau das suchen und finden, was sie auf ihrer Entwicklung als Person im Allgemeinen und als Lernende im Besonderen fördert und zu neuen Erkenntnissen führt, das weiß ich aus der täglichen Erfahrung in einem bayerischen Gymnasium selbst, dazu brauche ich keine dann und dort veröffentlichten empirischen Studien aus Amerika.
VolkmarLa: Wir Praktiker wissen das, aber gerade hierin liegt eine von Schulmeisters zahlreichen wissenschaftlichen Leistungen, eben nicht auf die Vielzahl von populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen insbesondere aus den Staaten, hereinzufallen und diese nicht vorhandene wie auch immer zu bezeichnende „Generation“ als Basis für eine neue Mediendidaktik vorauszusetzen. Die, auch von mir erlebte Realität sieht anders aus und genau das ist aus meiner Sicht der Ansatzpunkt. Aus meiner Sicht fehlt den Lernern und den Lehrern (unabhängig vom Alter beider Gruppen) häufig die entsprechende Medienkompetenz!
Tulgey Wood: Was ich von einem Hochschullehrer zum Thema „Zukunft des Lernens“ hören will, ist, wie wir es anstellen, dass das Internet der Bildung besser nutzbar gemacht wird. – Vielleicht ist das eine falsche Erwartung, weil Schulmeister evtl. mehr Empiriker als Didaktiker ist, dazu kenne ich seine Arbeiten zu wenig. Aber daher rührt die Enttäuschung – aus dem Widerspruch zwischen „Zukunft des Lernens“ und dem Motto „Bleibt von der Kiste weg!“ – Es ist nicht damit getan zu beklagen, die Jugendlichen beherrschten nur mehr „F-shaped scanning“ und könnten nicht mehr lesen. Es geht darum, Aufgabenstellungen zu formulieren, die zum genauen Lesen zwingen, und andere Aufgabenstellungen, für die genau „F-shaped scanning“ die richtige Bearbeitungsmethode ist. Wir wollten Konstruktives hören, nicht Destruktives.
VolkmarLa: Genau meine Meinung – an dieser Stelle mit den zwar enttäuschenden, aber doch vorhandenen Rahmenbedingungen weiter zu denken und die Zukunft des Lernens gestalten. Herrn Schulmeister schätze ich seit vielen Jahren, eben weil er nicht nur ein hervorragender Didaktiker ist, sondern auch etwas von Empirik versteht und als bekennender Skeptiker häufig Fragestellungen annimmt, die eben nicht immer auf ungeteilten Zuspruch treffen. Z.B. die aktuelle Zeitlaststudie, bei der durchaus von Studierenden und Hochschullehrern völlig andere Ergebnisse erwartet wurden. Hier stellt sich die Frage: Wie kommt diese Diskrepanz von „gefühlter“ und gemessener Belastung zustande? Genau an dieser Fragestellung arbeitet Schulmeister u.a. zurzeit – wir dürfen gespannt sein.
VolkmarLa: Zurück zum Ausgangspunkt: Nicht jammern, sondern weiter denken! Was ist vor dem Hintergrund der Aussagen von Schulmeister und zum Beispiel der 90-9-1 Regel zu tun, um mehr geeignete Lehr-/Lernszenarien mit hoher Akzeptanz auf beiden Seiten zu entwickeln? Wie sieht es mit der o.g. Medienkompetenz aus? Wann sollten wir geschützte Lernräume (LMS), wann eher offene Lernräume (social media) einsetzen? Wieviel Strukturierung brauchen solche Lehr-/Lernszenarien? Sollten Lehrer oder Lerner die Strukturierung vornehmen? Wie erwerben Sie die dafür notwendigen Kompetenzen? Brauchen wir an den Hochschulen dezidierte Maßnahmen für e-Bologna? …
Fragen über Fragen, die aber reichlichen Chancen bieten! Nochmals vielen Dank an meinen Dialogpartner Tulgey Wood. Ich freue mich auf Ihre Fragen, Anregungen und Kommentare.