von Volkmar Langer | Apr 22, 2016 | E-Learning |
Obwohl ich mir nicht ganz sicher bin, ob das studentische Projektteam meinen LdL (Lernen durch Lehren) Ansatz überhaupt als Motivation genutzt bzw. gebraucht hat, so ist doch am Projektende ein nachhaltiges LdL-Projekt herausgekommen. Und ich bin davon überzeugt, dass es doppelt nachhaltig ist. Warum? Das lesen Sie im Folgenden.
Projektstudium – eine wunderbare Chance für LdL-Projekte
In unseren Bachelor-Studiengängen ist das Projektstudium im 5. und 6. Semester ein besonderes Highlight. Kleine studentische Projektteams von etwa fünf bis zehn Studierenden aus drei dualen Studiengängen (Wirtschaft, Informatik und Technik) arbeiten selbstständig über zwei Semester an einem Projektauftrag, der oftmals aus der Praxis, oder wie im vorliegenden Fall aus einem Forschungsprojekt kommen kann. In der neuen Broschüre zum Projektstudium 2015/2016, hat das ebenfalls studentische Projektmanagement-Office Team einen schönen Überblick vom aktuellen Jahrgang zusammengefasst.
Projektziel – Selbstlernen mit Hilfe von Videonuggets
Zum LdL-Projektteam: Im Rahmen des Verbundforschungsprojektes OpenIT Bachelor und OpenIT Master erhielt das Projektteam zwei Aufträge zur Produktion von Lehr-/Lernmaterialien, die für Brückenkurse eingesetzt werden sollen. Zum einen sollten mit dem zuständigen Fachdozenten Lernvideos für den Bereich der Kosten- und Leistungsrechnung produziert werden. Zum anderen, und darum geht es hier konkret, sollte das Projektteam einen interaktiven Onlinekurs für die Einführung in die Differentialrechnung erstellen. Dieser Onlinekurs soll den Teilnehmern über eine direkte Integration von Aufgaben in die Übungsvideos eine motivierende Lernerfahrung bieten.
Nach einer fundierten Recherche kam das sechs köpfige Projektteam zu dem Entschluss für den Mathe-Onlinekurs, einfache, auf Basis von Prezi erstellte Erklärvideos, mit dem Möglichkeiten der interaktiven Anreicherung von Videos in Form von kleinen Quizzes per Capira zu produzieren. Capira bietet auf einfache Weise die Möglichkeiten verschiedene Abfragetypen als eine Art Zusatzlayer über die Videos zu legen und auf diese Weise mit dem Lerner zu interagieren. Jörn Loviscach erklärt in diesem Video die Idee hinter Capira.
Charme von LdL-Projekten
„Lernen durch Lehren (LdL) ist eine handlungsorientierte Unterrichtsmethode, die von Jean-Pol Martin 1982 begründet wurde und von Joachim Grzega weiterentwickelt wird.“ heißt es auf der zugehörigen LdL-Website. Dieser Ansatz wurde wohl zunächst im Fremdsprachenunterricht eingesetzt und ist inzwischen in vielen anderen Lernfeldern vertreten. Für das Projektstudium eignet sich dieser Ansatz besonders deshalb, weil die Studierenden oftmals inhaltlich die Lernerfahrung selbst schon gemacht haben und genau wissen, welche Methode und welches Vorgehen sie am ehesten bevorzugen würden. Die Inhalte werden aus der noch frischen Lernerperspektive aufbereitet und vermittelt. So kann Lernen wieder richtig Spaß machen.
Projektergebnis – Onlinekurs einfache Einführung in die Differentialrechnung
Als ein Ergebnis hat das Projektteam einen kurzen Onlinekurs zur Einführung in die Differentialrechnung erstellt und diesen als Kurs in unserem Lernmanagementsystem ILIAS abgebildet. Aus diesem Kurs sind hier zwei Videobeispiele zu sehen, die den Unterschied zwischen einem reinen Erklär- und einem Aufgabenvideo verdeutlichen. Bei dem ersten Video handelt es sich um ein reines Erklärvideo. Der Lerner soll hier einige grundlegende, praxisnahe Eigenschaften der Differentialrechnung kennen lernen.
Beim zweiten Videotyp (Aufgabenvideo) steht die Abfrage des gelernten Wissens im Vordergrund. Es handelt sich um ein im o.g. Sinne interaktives Video, in dem der Lerner Fragen beantworten darf. Auf diese Weise kann der Lerner selbst prüfen, ob er die Inhalte aus dem Erklärvideo anwenden kann.
Das Projektteam hat zum Ende des Semesters ihr eigenes Produkt auf den Prüfstand gestellt und Kommilitonen zu den beiden Videotypen befragt. Sie haben ein sehr schönes Feedback erhalten: 77% der Studierenden fanden bereits die Erklärvideos und 92% der Studierenden die Aufgabenvideos gut bzw. sehr gut.
Doppelt nachhaltig – ganz sicher
Natürlich haben Sie längst verstanden, was ich in der Einleitung mit doppelt nachhaltig gemeint habe. Das studentische Projektteam hat nicht nur ihre Fachkenntnisse in Kosten- und Leistungsrechnung bzw. in der Differentialrechnung aufgefrischt und vertieft, sondern darüber hinaus eine Vielzahl weiterer Kompetenzen erworben. Neben der Projektkompetenz, bei der die Kommunikation im Team und mit dem Auftraggeber im Vordergrund stand, wurden eine Reihe von Fachkompetenzen z.B. im Bereich der Videoproduktion erworben.
Projektteam in der Greenbox 🙂
Allein dies könnte ich als doppelt nachhaltig bezeichnen und es geht noch weit darüber hinaus, denn die Lerner, die künftig diese Videos im Brückenkurs nutzen dürfen, werden vielleicht auch nachhaltig ihre Kompetenzen in Mathematik steigern können.
Das nächste LdL-Projekt kommt ganz bestimmt und das Projektteam hat dafür mit seinem umfangreichen Projektbericht (ca. 240 Seiten) eine hervorragende Basis geschaffen. Sie haben sämtliche Konfigurationen von Hard- und Software sowie alle Produktionsprozesse in ihrem Bericht gut nachvollziehbar dokumentiert.
Und das Beste kommt zum Schluss: auch dem Dozenten hat die Projektarbeit und die Betreuung der Studenten richtig viel Spaß gemacht!
Liebe Studenten, vielen Dank für ihre nachhaltigen Beiträge und die tolle Zusammenarbeit :-).
In der Greenbox von links nach rechts: Yannik Landeck, Philipp Fukas (Projektleiter), Robin Ahlers (Sprecher), Jannik Walter, Daniel Heistermann und Julius Hiddessen.
von Volkmar Langer | Aug 27, 2015 | E-Learning, Lebenslanges Lernen, MOOC |
Liebe Personaler, sind sie offen für ein neues Abenteuer? Digitalisierung hat selbstverständlich auch in ihre moderne Personalentwicklung Einzug erhalten. Wie können sie als Personaler mit dieser zukunftsorientierten Herausforderung umgehen? Ein Lösungsansatz liegt auf jeden Fall in der Vernetzung und dem Erfahrungsaustausch untereinander. Wie wäre es für sie, sich mit Gleichgesinnten in einem Format auszutauschen, das eine Menge Potenzial auch für ihre Kompetenzentwicklung birgt?
Mit der Leitfrage: “Wie gestalten wir künftig Lernen in Organisationen“ startet am 21. September 2015 der erste Corporate Learning 2.0 MOOC (kurz #cl20). Was dahinter steckt und warum sie sich unbedingt anmelden sollten, habe ich im Folgenden kurz zusammengefasst.
Ein MOOC als Plattform für Erfahrungsaustausch
Massive Open Online Courses (MOOC´s) wurden vor einigen Jahren ausgehend zunächst von Kanada und dann den USA weltweit populär. Grundsätzlich sind darunter vielschichtige Formen von Online-Kursen zu verstehen, die kostenlos oder kostenpflichtig sein können und oft eine große Anzahl von Teilnehmern haben. Die ursprüngliche Idee für dieses Format hatten zwei kanadische Bildungswissenschaftler, die ihr Modell für das Lernen in der Netzgesellschaft in dieser Form von offenen Online-Kursen erproben wollten. Das Wesentliche bei dieser Art von MOOC´s (sogenannte cMOOC´s; c für connectivism) liegt in der informellen Vernetzung von Teilnehmern/Teilgebern zu einem bestimmten Thema ohne vorgegebenes Curriculum, vergleichbar den „Unkonferenzen“ in Form von sogenannten BarCamps.
Auch beim #cl20 gibt es kein vorgefertigtes Curriculum, sondern Vorschläge für Themen mit Best Practice Beispielen aus der Unternehmenspraxis, die gemeinsam diskutiert werden können. Insofern ist der #cl20 mehr als Plattform für den gemeinsamen Erfahrungsaustausch zu sehen, auch wenn es sicher interessanten Input dort geben wird.
Interessante Unternehmen geben Best Practice Impulse
Der #cl20 ist für einen Zeitraum von acht Wochen vom 21.9. – 13.11. 2015 geplant. In jeder Woche gibt ein anderes Unternehmen als Gastgeber Impulse, Beispiele und Fragestellungen aus der Unternehmenspraxis für moderne Personalentwicklung:
- Die DB Training startet in der ersten Woche mit der Vorstellung ihres Projektes „Next Education“
- Die Swisscom AG stellt in der zweiten Woche die Frage: „Wie kann digitales Lernen attraktiver gestaltet werden?“
- Der Österreichischer Automobil-, Motorrad- und Touringclub (ÖAMTC) geht der Frage nach: „Wie können wir Führungskräfte dazu bringen, für ihr eigenes Lernen Verantwortung zu übernehmen?“ Eine Frage, die sicher nicht nur im Kontext mit Führungskräften interessant ist J.
- Die Festo AG & Co. KG interessiert besonders die Frage: „Wie sollte ein Anschlussprozess an formelle Trainingsprogramme unter gegebenen kulturellen und organisatorischen Rahmenbedingungen (z.B. Sprache, Zeiteinsatz …) aussehen?“
- Die Miele & Cie. KG stellt sich die Frage: „Brauchen Lernende noch ein Lernmanagementsystem oder sind offene Portale hilfreicher fürs Lernen?“
- Die SICK AG hat erste Erfahrungen mit BarCamps gemacht und stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage: „Welche Bedeutung bzw. Aufgabe hat eine Trainingsabteilung noch, wenn mehr informelles, selbstgesteuertes Lernen im Unternehmen stattfindet?“
- Die SAP Deutschland SE & Co. KG hat erste Erfahrungen damit gesammelt spielerische Elemente in ihre Lehr-Settings zu integrieren und freut sich auf einen Erfahrungsaustausch zum Thema „Gamification“.
- Die Adidas AG hat einen internationalen „Learning Campus“ gestartet und möchte den #cl20 nutzen, um die nächsten Schritte in der Weiterentwicklung zu diskutieren.
Dieser bunte Strauß an Themen zeigt bereits die Breite der Angebote auf und damit auch die wichtigsten Ziele des #cl20: Der Blick über den Tellerrand, also der #cl20 als Plattform für den Erfahrungsaustausch über Unternehmensgrenzen hinaus. Und sicher werden die Teilnehmer/Teilgeber selbst davon partizipieren vernetztes, selbstgesteuertes Lernen kennen zu lernen und zu praktizieren. Mehr Details finden sie hier.
Vernetzung bietet Mehrwert
Veranstalter des #cl20 ist die Corporate Learning Alliance, ein nicht-kommerzielles Netzwerk von innovativen Corporate Learning-Experten. Unterstützt werden sie von der oncampus GmbH, dem Service-Dienstleister im Bereich des E-Learnings der FH Lübeck, die den #cl20 auf ihrer neuen MOOC-Plattform „mooin“ betreiben. Hier geht´s direkt zur Anmeldung.
Die Anmeldung ist auf jeden Fall empfehlenswert, auch wenn das vernetzte Lernen bereits in den sozialen Netzen, wie Facebook und Twitter sowie auf zahlreichen Blogs begonnen hat.
Der #cl20 bietet also auch die Chance das persönliche Wissensmanagement mit Instrumenten der Vernetzung auszuweiten und zu erproben. Der Hashtag „#cl20“ ist dabei das „lose Bindeglied“ zwischen verschiedenen Plattformen und Beiträgen. Sie werden sehen, Vernetzung bietet Mehrwert.
Aktuelle Fragestellungen in unserer Hochschule Weserbergland
Der #cl20 kommt auch für einige unserer Studierenden wie gerufen, denn im interdisziplinären Projektstudium sind dieses Semester von unseren Praxispartnern zwei passende Projektaufträge initiiert worden:
„Entwicklung und Erprobung interaktiver Lernszenarien für Industrie 4.0“
„Herausforderung Lernen 4.0: Veränderungen von Arbeits- und Lernwelten in Industrieunternehmen der Region Weserbergland“
Auch hier dürfen Auftraggeber und wir gespannt sein, wie sich aus der Perspektive der jungen Nachwuchsgeneration diese Herausforderungen meistern lassen.
Bildquelle: Logo #cl20
von Volkmar Langer | Mai 26, 2015 | E-Learning, Padagogy Wheel |
Dafür gibt es doch ´ne App – diese schon fast geflügelten Worte hören wir immer häufiger auch im Zusammenhang mit Lehren und Lernen. Nur welche App setze ich am besten in welcher Phase des Lernens ein? Wie kann ich verschiedene Apps in Lehr-/Lernprozesse integrieren?
Wer sich für sein Curriculum Design oder einfach für die Anreicherung einer Lehr-/Lernveranstaltung etwas tiefer gehend damit befassen möchte, welche App er für welchen Zweck einsetzen kann, dem empfehle ich das „Padagogy Wheel“, inzwischen aktualisiert in der 4. Version.
Was leistet das „Padagogy Wheel“?
Auf Basis der Bloomschen Taxonomie werden für die verschiedenen kognitiven Ziele Apps vorgeschlagen und im Original gleich verlinkt, die es einem ermöglichen eine begrenzte Auswahl von geeigneten Apps direkt zu finden. Gerade diese Vorauswahl macht den Einstieg und Auswahl für denjenigen, der sich mehr mit der Didaktik befasst, einfach und spart viel Zeit. Natürlich schließt diese Auswahl von immerhin 122 Apps für das iPad (die meisten Apps sind auch für andere Betriebssysteme verfügbar!) nicht aus, dass es noch eine ganze Menge weiterer Apps gibt und diese auch unterschiedlich eingesetzt werden könnten.
Welche Ideen sind in das „Padagogy Wheel“ eingeflossen?
Allan Carrington, einer der Entwickler, betont, dass zuerst die Didaktik und dann die Technologie berücksichtigt wurde. Genau wie beim Curriculum Design wird im Zentrum beginnend das Thema der intrinsischen Motivation (vgl. TED von Dan Pink) sowie die Themen Anforderungsprofile und Fähigkeiten aufgegriffen. Anforderungsprofile und Fähigkeiten sind allerdings Begriffe, die wir in der deutschen Version (wir durften die deutsche Übersetzung übernehmen – Dank an meine fleißige Kollegin Roxana Albrecht, die mich wunderbar unterstützt hat!) der Kürze halber vorgeschlagen haben. In der Originalversion heißt es „Graduate Attributes“ und diese beinhalten deutlich mehr. Weiter nach außen gehend folgt die Einordnung nach der Bloom´schen Lernzieltaxonomie mit den Links zu den Apps. Der graue Außenring berücksichtigt das SAMR-Modell des Lernens mit Unterstützung digitaler Medien und ermöglicht eine zeitgemäße, vereinfachte Zuordnung. Wer sich für die Entwicklungsgeschichte des „Padagogy Wheel“ interessiert, wird in dem kurzen Video von Allan fündig.
von Volkmar Langer | Nov 10, 2014 | MOOC |
Auf dem letzten HSW BarCamp habe ich in einer Session mit einigen Studierenden, Vertretern aus der Wirtschaft und Kollegen darüber diskutiert, ob wir in Zukunft noch Bildungseinrichtungen brauchen? Der provokante Titel eines meiner Vorträge aus dem Frühjahr dieses Jahres lautete:
Dort starte ich mit der wohl äußerst kühnen Aussage von S. Thrun. Er vertritt die These, dass es in 50 Jahren weltweit nur ca. zehn Universitäten geben wird. Ergänzt habe ich diese These noch dadurch, dass ich kurz Ben Paul mit seinen Überlegungen zur persönlichen Bildung (vgl. http://anti-uni.com/blog/ ) vorgestellt habe. Soweit ich es richtig verstanden habe, beruht seine Lernphilosophie auf drei Säulen: Machen oder einfach mach´ was, Lesen und Events (z.B. BarCamps) besuchen, Reisen und Persönlichkeitsentwicklung.
Ben Paul bezeichnet sich selbst als „Education Hacker“ und lebt damit vor, wie er als Selbstlerner entgegen dem Mainstream Ausbildung/Studium selbst organisiert. Die Ursprünge dieser DIY-Education liegen schon etwas länger zurück und wurden zum Beispiel mit dem Begriff des Edupunks durch Jim Groom bekannt (vgl. dazu auch HSW-Learningblog).
Neben der Edupunk Philosophie wurde ausführlich diskutiert, ob denn MOOC-Bildung überhaupt von der Wirtschaft anerkannt würde und ob dies wirklich zu einer Bildungsrevolution führen könnte. In der Session wurde weitgehend die Meinung geteilt, wie sie z.B. von Hoffmann und Schulmeister Anfang des Jahres äußert wurde. Ein Teilnehmer hat es abschließend auf den Punkt gebracht: Wer will sich denn freiwillig von einem Dr. med. MOOC behandeln lassen?
Ist ein MOOC-gebildeter Mediziner wirklich eine gute Idee?
Bildquelle: NEC-Medical-137, flickr, http://bit.ly/1waCJZ5 Stand 10.11.2014
Dazu war spontan kein Teilnehmer bereit :-), gleichwohl bestand Konsens darin, dass offene Online Kurse eine durchaus gern gesehene Ergänzung zu Lernangeboten an Bildungseinrichtungen sind. Der Wissenstransfer in die Anwendung sollte nach einhelliger Meinung immer persönlich unter Anleitung geübt werden und das nicht nur bei Ärzten ;-).
von Volkmar Langer | Nov 14, 2013 | E-Learning, FlipClass, MOOC |
Im Rahmen der eLearning SUMMIT-TOUR 2013 bin ich zu einer Podiumsdiskussion am 26.11. 2013 in Hamburg eingeladen über die Verzahnung von formalem und informellem Lernen zu diskutieren. Die von mir sehr geschätzte Moderation Jasmin Hamadeh hat den Diskussionsteilnehmern einige Fragen im Vorfeld zur Vorbereitung zu kommen lassen, auf die ich hier kurz aus der Perspektive einer praxisorientierten Hochschule eingehe. (Bildquelle: M. Beat, flickr, 14.11.13)
J. Hamadeh: Stoßen Sie in Ihrem Arbeitsalltag überhaupt auf das Thema „informelles Lernen“ (wo?) – oder ist das in Ihren Augen ein Thema, das stärker als berechtigt „gehypt“ wird?
V. Langer: Der Schwerpunkt unserer Hochschule liegt in den Angeboten von dualen Studiengängen, die durch das Modell der Praxisintegration (vgl. zur Unterscheidung Positionspapier vom Wissenschaftsrat vom 25.10.2013, S. 21ff) einen Ermöglichungsrahmen schaffen, indem ein Wechsel zwischen formalem Lernen in der Hochschule und informellem Lernen in der betrieblichen Praxis kontinuierlich stattfindet. Wir haben dafür ein Konzept zur lernortübergreifenden Integration von Theorie und Praxis. Zum Beispiel ist ein Instrument innerhalb dieser Studiengänge das „freie Praxisstudium“. Dabei sind die Dimensionen des Lernens (nach Wittwer 2003) überwiegend informell. Es geht dabei zum Beispiel um eine Problemlösung im betrieblichen Alltag. Die Lernunterstützung ist bis auf einen Initialrahmen (Abstimmung des Themas zwischen Studierendem, Vertreter des Praxispartners und eines Lehrenden der Hochschule) nicht organisiert, d.h. sie findet selbstbestimmt statt, zum Beispiel durch Nachfragen und forschendes Lernen. Dieser Ansatz ist mehr ganzheitlich und führt teilweise zu unbewusstem Lernen. Im Lernergebnis greift nun das didaktische Konzept wieder ein: Neben dem erworbenen Erfahrungswissen, gilt es dieses in der Theorie zu reflektieren und darüber einen kurzen Bericht zu verfassen, der wissenschaftlichen Ansprüchen genügen muss (Ja, es geht darum ECTS-Credits zu erwerben!). Die Aufgabe der Hochschule sehe ich darin, dass wir den Ermöglichungsrahmen so aufspannen, dass der Lerner motiviert wird, einen Blick über den Tellerrand, der oft sehr individuellen betrieblichen Praxis, zu werfen.
Ich denke dieses Thema wird bislang noch viel zu wenig beachtet, denn oft fehlt die Wertschätzung des vielmehr nachhaltigen informellen Lernens. Vor allem vor dem Hintergrund der geforderten Öffnung von Hochschulen gegenüber beruflicher Bildung im Rahmen der „Offenen Hochschule“ wird selbst dem Begriff und damit auch dem Potenzial noch zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Ein aktuelles Beispiel ist das o.g. Positionspapier vom Wissenschaftsrat, in dem der Begriff des informellen Lernens nicht zu finden ist.
J. Hamadeh: Sie vertreten alle Bildungsanbieter, die ausgeprägte Schnittstellen zu Unternehmen und deren Bedarfen haben. Werden von Unternehmensseiten Abfragen an Sie herangetragen, die informelles Lernen betreffen? Und/Oder von Ihren Teilnehmern?
V. Langer: Im Zusammenhang mit der Gestaltung gemeinsamer Lernprozesse im Rahmen von Praxisintegration gibt es dazu bei uns in der Hochschule regelmäßige (jeweils 1x pro Semester) Abstimmungen zwischen Praxispartnern, der Hochschule und den Studierenden. Auch dabei wählen wir oftmals einen mehr informellen Rahmen, in dem zum Beispiel die Studierenden ihre Themen/Arbeitsproben anhand von Postern präsentieren und so in einem informellen Rahmen mit Praxisvertretern und Lehrenden ins Gespräch kommen.
Darüber hinaus befasst sich unser Institut für Personalentwicklung und Lebenslanges Lernen mit der Entwicklung von betrieblich integrierten Weiterbildungsmaßnahmen, die ebenfalls ganz stark auf die Integration von formellem und informellem Lernen setzen. Zum Beispiel wird in einem neun monatigem Führungskräfteentwicklungsprogramm die Chance genutzt das in der Theorie gelernte direkt in der Praxis umzusetzen und wiederum dieses dann gemeinsam zu reflektieren.
J. Hamadeh: Gibt es für Sie in Bezug auf Bildungsstrategien/und -prozesse ein Gut, das Ihnen persönlich besonders wertvoll oder schützenswert ist?
V. Langer: Ja, die Vielfalt an Lernmöglichkeiten und an Lernchancen sowie die Durchlässigkeit verschiedener Bildungssysteme ist gerade bei uns in Deutschland enorm groß – sie sollte nicht aus irgendwelchen ideologischen Bestrebungen eingegrenzt werden, sondern weiter geöffnet werden (vgl. oben Beispiel „Offene Hochschule“ – Verbindung von beruflicher und hochschulischer Bildung).
J. Hamadeh: Haben Sie Konzepte, Ideen, Beispiele, wie informelles Lernen in Ihr formales Angebot integriert werden kann? Im Kleinen oder Großen? Sehen Sie eine Schnittmenge der Bereiche eLearning und informelles Lernen? (Welche?)
V. Langer: Was wir bislang bereits machen habe ich soeben beschrieben. Das „Wie“ ist dabei ein wichtiger Aspekt: Ohne ein stabiles Lernmanagementsystem (LMS) könnten wir die Qualität bei der lernortübergreifenden Betreuung und Lernbegleitung nicht sicherstellen. Insofern gibt es bereits bei diesen mehr klassischen Lehr-/Lernszenarien eine enorme Schnittmenge. Wir verbinden Präsenzlernen mit E-Learning in unserem blended-Learningkonzept zur lernortübergreifenden Betreuung und neuerdings auch um das „inverted Classroom Model“ oder auch als „Flipped-Classroom“ bezeichnet zu nutzen. Erste Erfahrungen zeigen, dass damit in Bezug auf die Bedürfnisse des Lerners der Ermöglichungsrahmen noch weiter gespannt und die gemeinsame Präsenz wertvoller gestaltet werden kann. Gerade in solchen Szenarien bewegen wir uns im Kontinuum von formalem und informellem Lernen (vgl. Winter 2003).
Auch die offenen Onlinekurse (sie müssen nicht unbedingt massive sein!) können in Zukunft die beiden Lernformen und damit auch unterschiedliche Zielgruppen noch stärker zusammen bringen. Unter dem Stichwort bMOOC (blended Massive Open Online Course) als Weiterentwicklung von flipped-Classroomszenarien hatte ich zu dem Thema im vergangenen Jahr auf der Abschlusstagung des OPCO12 vorgetragen (vgl. Aufzeichnung und Folien).
J. Hamadeh: Was lernen Sie informell?
V. Langer: Alles Mögliche zum Beispiel durch das Schreiben dieses Blogs :-)! Weitere Ausführungen hebe ich mir fürs Podium auf ;-).
Quelle: Wittwer, W. (2003). „Lern für die Zeit, wird tüchtig fürs Haus. Gewappnet ins Leben tritts du hinaus“ – Förderung der Nachhaltigkeit informellen Lernens durch individuelle Kompetenzentwicklung. In W. Wittwer & S. Kirchhof (Hrsg.). Informelles Lernen und Weiterbildung: Neue Wege der Kompetenzentwicklung (S. 13-41). Neuwied: Luchterhand.